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Veröffentlicht am 22. Oktober 2025

100 Jahre Labor Spiez

1925 wurde mit dem Gaslaboratorium Wimmis die Vorgängerorganisation des heutigen Labor Spiez gegründet. Seither hat sich das Labor zu einer tragenden Säule der Sicherheitsarchitektur unseres Landes und zu einer international anerkannten Institution auf dem Gebiet des ABC-Schutzes entwickelt.

100 Jahre Labor Spiez: ABC-Schutz im Zeichen der globalen Entwicklung

Die Entstehung des heutigen Labor Spiez geht zurück auf die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs. Die Welt war entsetzt über den massenhaften Einsatz von chemischen Waffen und die Armeen sahen sich gezwungen, Schutzmassnahmen zu entwickeln. Zu diesem Zweck wurde 1925 das Gaslaboratorium Wimmis gegründet. In den folgenden Jahrzehnten passte sich diese Institution immer wieder an die sich wandelnden globalen Bedrohungsszenarien an – das Aufgabenspektrum veränderte und erweiterte sich laufend. Heute ist das Labor Spiez ein weltweit anerkanntes wissenschaftliches Institut für den Schutz vor atomaren, biologischen und chemischen (ABC) Bedrohungen. Es unterstützt seine zivilen und militärischen Schweizer Partner beim Schutz der Bevölkerung und die internationale Staatengemeinschaft bei der Abrüstung von Massenvernichtungswaffen.

Zum Studium der neuen militärischen Bedrohung durch chemische Waffen wurde 1923 auf Beschluss des Bundesrates an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich eine Gasschutzstelle gegründet. Im Dezember 1925 wurde diese in die Eidgenössische Pulverfabrik Wimmis verlegt. Dies markiert die Geburtsstunde des heutigen Labor Spiez.

Die Anfänge im Gaslaboratorium Wimmis

Die neue Institution wurde in der Anfangszeit unterschiedlich bezeichnet: In Gebrauch waren insbesondere Labor Wimmis, Laboratorium Wimmis, Gaslaboratorium Wimmis (umgangssprachlich auch Gaslabi), Labor Ws sowie L+W. In der ersten Phase bestand die Aufgabe darin, Schutzsysteme gegen chemische Waffen zu prüfen und zu entwickeln. Im Fokus stand der Atemschutz des Menschen; insbesondere entwickelte das Labor Wimmis die Armee-Gasmaske 33. Schon seit den 1920er-Jahren wurden auch weitere Anwendungen studiert und entwickelt, z.B. Schutzmasken für Pferde oder Filtersysteme für Festungsanlagen.

1932 ratifizierte die Schweiz das Genfer Protokoll zum Verbot chemischer und biologischer Waffen. Angesichts der politischen Spannungen in Europa und der zunehmenden militärischen Bedrohung startete die Schweiz 1937 ein eigenes C-Waffen-Programm. Ab 1939 wurde in Monthey das aus dem Ersten Weltkrieg bekannte Hautgift Yperit (Senfgas) produziert. Das Labor Wimmis war an der wissenschaftlich-technischen Begleitung des Programms beteiligt; zur Lagerung wurde in Lattigen (Spiez) eine Tankanlage gebaut. Aufgrund von diversen Faktoren wurde das C-Waffen-Programm aber bereits 1943 wieder eingestellt.

Weiterentwicklung zum AC-Laboratorium und Umzug nach Spiez

Die Atombombeneinsätze in Hiroshima und Nagasaki von 1945 konfrontierten die Schweiz mit einer Waffe, die ein völlig neuartiges Zerstörungspotenzial aufwies. Als Reaktion musste das Labor Wimmis sein Tätigkeitsfeld erweitern: Ein neuer Schwerpunkt lag im Bereich Aufbau und Entwicklung des erforderlichen Knowhows für den Bau von militärischen und zivilen Anlagen zum Schutz vor A- und C- Waffen. Dementsprechend wurden ab den 1960er-Jahren neue Prüfanlagen für Explosionswirkungen entwickelt und in Betrieb genommen. Der erweiterte Aufgabenbereich wurde 1963 mit der geänderten Bezeichnung AC-Laboratorium zum Ausdruck gebracht.

Ende der 1960er-Jahre beschlossen Bundesrat und Parlament, in Spiez ein AC-Zentrum zu errichten. Zunächst konnte 1977 die militärische AC-Ausbildungsstätte in Betrieb genommen werden, 1981 folgte der Umzug des AC-Laboratoriums von Wimmis ins AC-Zentrum Spiez. Seither sind die militärischen sowie die zivilen, wissenschaftlichen Aufgaben im ABC-Schutz an einem gemeinsamen Standort angesiedelt.

Internationale Ausrichtung und Aufbau des Bereichs Biologie

In den folgenden Jahren übernahm das AC-Laboratorium erstmals Aufgaben auf internationaler Ebene. 1984 untersuchte es Proben im Auftrag des UN-Generalsekretärs und konnte nachweisen, dass im Iran-Irak-Krieg (1980-1988) die chemischen Kampfstoffe Yperit und Tabun eingesetzt wurden. Nach Ende des Kalten Krieges wurde die Unterstützung von internationalen Organisationen zu einem neuen Schwerpunkt. In den 1990er-Jahren waren mehrere Experten aus Spiez an Missionen der United Nations Special Commission (UNSCOM) im Irak zur Überwachung des Waffenstillstandsabkommens nach dem zweiten Golfkrieg beteiligt. Das Labor wandelte sich von einer Institution zur Unterstützung der Schweizer Armee zu einem zivilen, wissenschaftlichen Institut und übernahm verstärkt Aufgaben im Bereich Abrüstung, Rüstungskontrolle und Non-Proliferation von ABC-Waffen. Vor diesem Hintergrund wurde das bisherige AC-Laboratorium 2000 in Labor Spiez umbenannt.

Aufgrund neuer Erkenntnisse über die Bedrohung durch biologische Waffen wurde der Aufgabenbereich auf den B-Schutz erweitert. Insbesondere die Anthrax-Anschläge im Jahr 2001 in den USA verdeutlichten, dass die Schweiz gegen gefährliche Krankheitserreger nicht genügend gut gewappnet war. Seit der Einweihung des Biologischen Sicherheitslabors der höchsten Sicherheitsstufe (Biosafety Level 4, BSL4) im Jahr 2010 verfügt das Labor Spiez über die erforderliche Infrastruktur, um im Bereich B-Schutz die wissenschaftliche Expertise und Laborkapazitäten bereitstellen zu können. Zuletzt hat die SARS-CoV-2-Pandemie deutlich gemacht, dass die umfassende ABC-Expertise des Labor Spiez für die Krisenbewältigung in der Schweiz unverzichtbar ist.

Die Vision: Eine Welt ohne Massenvernichtungswaffen

Ganz im Sinne seiner Vision unterstützt das Labor Spiez seit den 1990er-Jahren vermehrt und gezielt die internationale Staatengemeinschaft bei der Abrüstung von ABC-Waffen. So war es massgeblich an der Aufklärung von C-Waffen-Einsätzen in Syrien nach 2013 beteiligt. Mit seiner Expertise im Bereich Umweltanalytik unterstützt es zudem diverse internationale Organisationen bei der Bewältigung von Umweltschäden und Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung in Krisenregionen.

Als Eidgenössisches Institut für ABC-Schutz stellt das Labor Spiez seine Leistungen heute in allen drei Aufgabenbereichen auch internationalen Organisationen zur Verfügung. Bereits seit 1998 ist es designiertes Labor der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW). Seit 2017 unterstützt es als Collaborating Centre regelmässig Aufgaben der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA). Und seit 2021 fungiert es im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als erstes und bisher einziges Labor weltweit als WHO BioHub. Dieses System dient dazu, im Falle von neu auftretenden gefährlichen Krankheitserregern durch den Austausch von Proben und Informationen rasch wirksame und international koordinierte Gegenmassnahmen ergreifen zu können. Unlängst hat auch die Auszeichnung mit dem OPCW-The Hague Award 2023 die Bedeutung und das internationale Ansehen des Labor Spiez unterstrichen.

Geplanter Ersatzneubau in Spiez

Die Geschichte des Labor Spiez widerspiegelt die globalen Entwicklungen der letzten hundert Jahre im Bereich der ABC-Bedrohungen und deren Niederschlag in der Schweizer Sicherheitspolitik. Angesichts der aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen wird die Aufgabe nicht kleiner. Das Labor Spiez muss sich weiterhin laufend neuen Bedrohungslagen anpassen.

Ein geplanter Ersatzneubau für das Hauptgebäude am bisherigen Standort in Spiez soll die Voraussetzungen dafür schaffen, dass das Labor Spiez seine wissenschaftliche Expertise weiterentwickeln und auch in Zukunft eine Schlüsselrolle im nationalen und internationalen ABC-Schutz einnehmen kann – für Sicherheit und Frieden in der Schweiz und in der Welt.

Feier «100 Jahre Labor Spiez»

Anlässlich des Jubiläumsjahres fand am 23. Oktober 2025 die Feier «100 Jahre Labor Spiez» mit geladenen Gästen im Bernerhof statt.

Weitere Informationen zum Anlass finden Sie hier: